Ein Feuerwerk der Überraschungen
Ich liebe es, wenn ein High Fantasy – Universum Schauplatz mehrerer Geschichten ist. In den meisten fantastischen Welten stecken unglaublich viel kreative Konzeption und Liebe zum Detail. Mir erscheint es wie Verschwendung, ein sorgfältig etabliertes Setting für nur eine Geschichte zu nutzen. Deshalb jubelte ich, als bekannt wurde, dass Brian McClellan in sein „Powder Mage“ – Universum zurückkehrt. Die Trilogie „Powder Mage“ gefiel mir äußerst gut und öffnete meinen literarischen Horizont für militärische High Fantasy. Während die Konflikte dieses Dreiteilers an das napoleonische Europa erinnerten, untersucht McClellan in „Gods of Blood and Powder“ die Auswirkungen imperialistischer Kolonialisierung in der neuen Welt. Er führt seine Leser_innen nach Fatrasta, das im ersten Band „Sins of Empire“ am Rande einer Revolution steht.
Bei einer Ausgrabung vor den Toren Landfalls, Hauptstadt der jungen, kriegsgeplagten Nation Fatrasta, wird ein antiker Stein geborgen. Eine geheimnisvolle Aura umgibt das Relikt. Es scheint zu flüstern, ist mit unverständlichen Symbolen bedeckt und treibt die Arbeiter in den Wahnsinn.
Weit entfernt im Grenzland Fatrastas ahnt die Pulvermagierin Lady Vlora Flint nichts vom Fund des mysteriösen Steines. Ihre Söldnerkompanie schlägt Aufstände des indigenen Volkes der Palo nieder, bis sie plötzlich zurück nach Landfall beordert werden. Die Lage in der Hauptstadt ist aufgeheizt. Eine offene, organisierte Revolte der Palo wird immer wahrscheinlicher. Vloras Truppen sollen die Anführerin der Rebellen finden und festnehmen. Unterstützung erhält sie von Michel Brevis, Agent der Geheimpolizei, und Ben Styke, in Ungnade gefallener Kriegsheld. Doch als sich Gerüchte über den Ausgrabungsfund über Fatrastas Grenzen hinweg verbreiten, ist eine Revolution bald nicht mehr das drängendste Problem des ungleichen Trios…
Ich muss Brian McClellan für seinen Fleiß loben. „Sins of Empire“ ist wahrlich nicht nur ein weiteres Kapitel in den Chroniken des „Powder Mage“-Universums. Der Trilogieauftakt ist der Beginn einer vollkommen eigenständigen Geschichte, die unabhängig vom ersten Dreiteiler funktioniert und nach neuen Regeln spielt. McClellan wagt sich in unbekannte Gewässer und führt seine Leser_innen etwa 10 Jahre nach dem Militärputsch in Adro nach Fatrasta. Fatrasta blickt auf eine lange, blutige und komplizierte Historie von Besatzung und Revolution zurück. Die Kressianer konnten sich als dominante Macht durchsetzen, doch den Eroberern unterläuft ein folgenschwerer Fehler: sie unterschätzen die indigene Bevölkerung. Die Palo werden unterdrückt, gedemütigt und abgeschlachtet. Ihr Zorn ballt sich in Greenfire Depths, einer gigantischen Grube in Landfall, die den Palo als Slumviertel dient und eine Parallelgesellschaft hervorbrachte. Fatrasta ist zu instabil, um einer koordinierten Revolte der Palo standzuhalten. Im Schatten dieser prekären und beeindruckend scharfsinnig gestalteten Ausgangssituation, für die Brian McClellan erneut sein gesamtes Geschick des Worldbuildings aufbietet, kreuzen sich die Wege der drei Hauptfiguren in der Hauptstadt. Lady Vlora Flint begegnete mir bereits in der „Powder Mage“-Trilogie; ich freute mich ehrlich darauf, die taffe, unbeugsame, loyale und clevere Pulvermagierin in „Sins of Empire“ besser kennenzulernen. Trotz ihrer schwierigen Position als Generalin einer Söldnerkompanie enttäuschte sie mich nicht. Sie weiß, dass die Behandlung der Palo Unrecht ist und zeigt sich alles andere als begeistert, die Rebellenführerin in Greenfire Depths festnehmen zu müssen. Schutz erhält sie von Ben Styke, den Fans ambivalenter Charaktere lieben werden. Er trifft unmoralische Entscheidungen und fordert mit seiner allzu menschlichen Fehlbarkeit dennoch Sympathie ein. Ihr Kontakt, der Agent Michel Brevis, ist ihr hingegen keine große Hilfe, da er mit eigenen Ermittlungen betraut wurde. Ich fand Michel erst sehr anstrengend und nervig. Er ist ein Speichellecker, der sich wie ein Aal die Karriereleiter der an die Stasi erinnernden Geheimpolizei hochschleimt. Ich ertrug ihn kaum – bis Brian McClellan die Bombe platzen ließ. Michel ist nicht, was er zu sein vorgibt und damit symptomatisch für „Sins of Empire“. Das Buch ist ein Feuerwerk der Überraschungen. Brian McClellan spielt mit der Erwartungshaltung seiner Leser_innen, als wäre er ein Bühnenmagier, der mit einer Hand für Ablenkung sorgt, während er mit der anderen ein Kaninchen aus dem Hut zaubert. Beinahe jedes Element der Geschichte verfügt über einen doppelten Boden; nichts ist sicher, nichts garantiert. Die ungewisse Atmosphäre war aufregend und spannend; das mit handfester Action gewürzte politische Intrigengeflecht hielt mich in Atem. Dieses explosive Gemisch war Brian McClellan allerdings noch nicht genug. Er verschärft die Konflikte des Trilogieauftakts zusätzlich durch das Auftauchen einer uralten, gefährlichen Magie. Ich sage euch, „Gods of Blood and Powder“ ist ein Topf, der bereits jetzt kurz vorm Überkochen steht. Alle in Deckung!
„Sins of Empire“ war unglaublich vielversprechend. Ich habe nie bezweifelt, dass mich Brian McClellan überzeugen könnte, doch ich habe nicht damit gerechnet, dass er mir eine völlig andere Ecke seines „Powder Mage“-Universums zeigen würde. So banal es klingt, mich begeistert es, dass er die Mühen des Worldbuildings nicht scheute, die mit der Konstruktion von Fatrasta verbunden waren. Er hätte ja auch einfach in Adro bleiben können. Ist er aber nicht. Deshalb nehme ich es ihm nicht übel, dass die Lektüre etwas langatmig war und ich mich anstrengen musste, um die brenzlige Situation in Landfall zu verstehen. Geduld und mentaler Aufwand haben sich gelohnt. Jetzt geht es erst richtig los und ich freue mich auf die Folgebände, denn ich will unbedingt herausfinden, was es mit dem mysteriösen Stein auf sich hat, der schließlich nicht grundlos „Götterstein“ genannt wird.