Schluchzend und blubbernd in den Sonnenuntergang
Der Feind hat Drassil eingenommen. Calidus und Nathair besitzen drei der Sieben Schätze und sind ihrem Ziel, Asroth in die irdische Welt zu bringen, bedrohlich nahe. Das Wettrennen um die verbleibenden Gegenstände hat begonnen. Nur zusammen können sie Asroth‘ Ketten in der Anderswelt sprengen – und nur zusammen können sie zerstört werden, um die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ein für alle Mal zu bannen. Noch besteht Hoffnung, doch die Rebellion muss einen harten Rückschlag verkraften: Corban wurde vom Riesen-Clan der Jotun entführt. Will er überleben, muss er die Jotun davon überzeugen, sich dem Krieg der Götter anzuschließen und ihn freizulassen. Die Zukunft der Verbannten Lande hängt davon ab, dass er die Sieben Schätze erobert und zu seinen Truppen zurückkehrt. Sie brauchen ihn. Die Prophezeiung mag eine Lüge sein, aber Corban ist ihr Leuchtender Stern, ihr Anführer, der ihnen die Kraft verleiht, den Mächten des Bösen die Stirn zu bieten, während die letzte Schlacht naht. Sie wird viele Leben fordern. Vor den Toren Drassils wird sich das Schicksal der Welt entscheiden. Werden Corban und seine Verbündeten in ihren Herzen Wahrheit und Mut finden, um zu schützen, was ihnen lieb und teuer ist und Asroth‘ Schergen endgültig zu besiegen?
Ich dachte, ich hätte das Maximum emotionaler Intensität mit „Ruin“ erreicht. Ich dachte, schlimmer als der Cliffhanger am Ende des dritten Bandes von „The Faithful and the Fallen“ könnte es nicht mehr werden. Oh, wie habe ich mich getäuscht. Auf den letzten 50 Seiten des finalen Bandes „Wrath“ war ich ein schluchzendes, blubberndes Wrack. Die alles entscheidende Schlacht um das Schicksal der Verbannten Lande ist John Gwynnes Meisterwerk. Für mich sind Schlachten in der High Fantasy ein Qualitätsmerkmal und diese ist grandios. Allein schon, dass sie etwa 150 Seiten umfasst, versetzt mich in Jubelstürme. Es ist mir wichtig, dass ein Epos wie „The Faithful and the Fallen“ gebührend abgeschlossen wird und ich zolle Gwynne meinen Respekt dafür, dass er sich nicht hetzen ließ und den Schlachtszenen den Raum zugestand, den sie verdienen. Dadurch war es ihm möglich, die verschiedenen Strömungen auf dem Schlachtfeld realistisch abzubilden. Er verdeutlicht hervorragend, dass eine Schlacht keine homogene Szenerie ist, sondern pures, wirbelndes Chaos, in dem wenige Meter ganze Welten trennen können. Kurze Kapitel, die in rasanter Abfolge von Figur zu Figur springen, zeigen ihre individuellen Erfahrungen im Kampf und trieben meinen Puls in die Höhe. Ich erlebte Aufregung, Sorge, Trauer, Genugtuung, Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Erleichterung im Schnelldurchlauf und rauschte durch meine überschäumenden Emotionen, ohne ein einziges Mal den Überblick zu verlieren. Die Todesquote ist tragisch; ich musste lernen, dass wirklich niemand mehr sicher war und fürchtete um sie alle. Ich beobachtete atemlos und weinte bittere Tränen um diejenigen, die im Namen des Guten starben. In dieser Schlacht verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse mehr denn je. Von Anfang an erforschte Gwynne diese fließenden Konzepte durch die Entwicklung seiner Figuren. Camlin begann als Bandit und wurde zu Edanas wichtigstem Gefolgsmann. Veradis war stets ein guter Mensch, der aus blinder Loyalität Böses tat. Und Maquin… Ach, Maquin. Mein Herz blutet für ihn. Sein Leben verlangte ihm so viel ab, war eine Parade des Kummers, wen wundert es da, dass er zu einem kaltblütigen Killer wurde? Dennoch ist er im Kampf gegen Asroth unverzichtbar. Es fasziniert mich, wie Gwynne seine ehemals eindeutige Unterteilung in Gut und Böse durch diese ambivalenten Biografien selbst aufweicht, ohne den fundamentalen, religiösen Konflikt der Reihe in Frage zu stellen. Asroth ist in „Wrath“ noch immer ohne jeden Zweifel das Übel, das es zu bekämpfen gilt und Calidus, Nathair und Rhin sind als seine Werkzeuge greifbare Agent_innen des Bösen. Die Rolle von Elyon hingegen bleibt abstrakt, anonym und abwesend. Selbst wenn man annimmt, dass Elyon mit jeder positiven Eigenschaft der Menschheit gleichzusetzen ist, kämpfen die Menschen meiner Meinung nach höchstens indirekt für ihn. Sie kämpfen für sich. Für ihre Welt, für ihre Familien, für ihre Zukunft. Deshalb ist es irrelevant, dass Corban eigentlich nicht der Leuchtende Stern ist. Für sie ist er es. Die Prophezeiung diente ohnehin lediglich als Katalysator; je weiter der Konflikt voranschritt, desto überflüssiger wurde sie als Motivation. Die Menschen fanden die Motivation in ihren Herzen. Ich bin sehr froh, dass Gwynne Corban mit seiner Entführung durch die Jotun die Zeit schenkte, ebenfalls zu erkennen, dass Meicals Offenbarung für ihn keinerlei Konsequenzen hat. Er tut trotzdem das Richtige. Und das Richtige ist natürlich, die Welt zu retten – was sonst?
„The Faithful and the Fallen“ enthält für mich alles, was die High Fantasy zu meinem Lieblingsgenre macht. John Gwynne erreichte mit Schlichtheit ein beeindruckendes Maß an Komplexität. Die vier Bände basieren auf wenigen, simplen Bausteinen, doch gemeinsam bilden sie ein facettenreiches, vielschichtiges Konstrukt, dessen leichte Vorhersehbarkeit die Zugkraft der Geschichte nicht im Mindesten bremst. Die liebenswerten Figuren entlocken ihr eine emotionale Verbindlichkeit und Authentizität, die mich ungemein begeisterte und verzauberte. Mit „Wrath“ schließt Gwynne sein Epos würdig, stimmig und befriedigend ab, wofür ich ihm von Herzen dankbar bin. Ein schales Ende hätte mich wahnsinnig enttäuscht. All die Tränen, die ich während der Lektüre dieses Bandes vergoss, habe ich gern vergossen, weil ich es selbst nach zahllosen Leseerfahrungen noch immer zu schätzen weiß, wenn sich diese spezielle Magie entfaltet und mich ein Buch so tief berührt wie „Wrath“. Deshalb ist „The Faithful and the Fallen“ für mich trotz vieler bekannter Elemente etwas ganz Besonderes. Diese bewegende Geschichte konnte nur John Gwynne erzählen. Ich verneige mich voller Hochachtung. Truth and Courage.