Richtig schöne Durchschnittsdystopie
Bevor Emmy Laybourne Schriftstellerin wurde, arbeitete sie als Komikerin, Drehbuchautorin und Schauspielerin. Als ich ihren Debütroman „Monument 14“ kaufte, war mir nicht klar, dass ich sie durch ihre Vergangenheit beim Film bereits kannte. Sie spielte in dem 1999er Film „Superstar“ neben Will Ferrell und Molly Shannon die Rolle der „sozial unbeholfenen“ Helen Lewengrub. Ich erinnere mich, dass ich mir die überdrehte, absurde Komödie vor Jahren ansah, weil nichts Besseres lief. Es ist kein besonders guter Film, aber ich finde es interessant, eine Vorstellung davon zu haben, was Emmy Laybourne trieb, bevor sie „Monument 14“ schrieb, das glücklicherweise überhaupt nichts mit „Superstar“ gemein hat.
Als die zivilisierte Welt in einem Hagelsturm unterging, saß Dean im Schulbus. Er verdankt es nur dem beherzten Eingreifen einer mutigen Busfahrerin, dass er den Beginn der Katastrophe überlebte. Sie brachte ihn und 13 weitere Kids zwischen Kindergarten- und High-School-Alter in einem Megastore in Sicherheit. Sie verließ ihre Schützlinge, um Hilfe zu holen. Sie kehrte nicht zurück. Auf sich selbst gestellt obliegt es nun Dean und den älteren Kindern, sich um die jüngeren zu kümmern und zwischen Haushaltswaren, Elektronikartikeln und Food-Court den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten. Doch der Hagelsturm war erst der Anfang. Außerhalb der Mauern des Megastores häufen sich die Schreckensnachrichten. In ihrem Versteck ist die kleine Gruppe Überlebender außer Gefahr. Sie könnten die Situation aussitzen und darauf hoffen, vielleicht eines Tages gerettet zu werden. Können sie sich damit abfinden, zugunsten ihrer eigenen Sicherheit nicht zu wissen, ob ihre Familien noch am Leben sind und sie möglicherweise lange Zeit nicht wiederzusehen?
„Monument 14“ ist eine richtig schöne Durchschnittsdystopie. Der Trilogieauftakt ist angenehm originell, ohne den Leser_innen allzu viel Experimentierfreudigkeit abzuverlangen. Wer sich gern in dieser Ecke der Jugendliteratur tummelt, kann ohne Weiteres eine Reise mit Emmy Laybourne wagen, denn sie hielt sich brav an den vertrauten Rahmen des Genres, verzichtete aber darauf, längst ausgelutschte Ideen wiederzukäuen. Sie verpasst dem eingestaubten Schema F einen neuen Dreh, wodurch „Monument 14“ durchaus interessante Denkanstöße bietet. Mir gefiel es sehr, dass sich die logisch designte Dystopie ausschließlich im Hintergrund der Geschichte abspielt und die Handlung nicht dominiert. Stattdessen steht die Dynamik der Figuren im Mittelpunkt. Steckt man 14 Kinder und Jugendliche in einen Megastore, während draußen die Welt untergeht, kann man kaum erwarten, dass sie fröhlich und harmonisch Ringelpiez tanzen. Laybourne konzentrierte sich voll auf die Darstellung der verschiedenen Konflikte, die sich durch die Extremsituation für ihre Charaktere ergeben. Die Notwendigkeit, sich um die jüngeren Kinder zu kümmern, während vor den Türen Chaos herrscht, demontiert langsam die Masken, die die Teenager der Gruppe über Jahre sorgsam aufbauten. Je länger sie sich in dem Megastore aufhalten, desto klarer kristallisiert sich eine unerwartete Rollenverteilung heraus, die mit der Anfangssituation nicht mehr vergleichbar ist. Einige wachsen an ihren Aufgaben, andere zerbrechen daran. Obwohl dieser Ansatz realistisch und aus anthropologischer Sicht faszinierend ist, entwickelt sich daraus allerdings ein recht gemäßigter Spannungsbogen, der vor allem deshalb auffällt, weil die Autorin die ersten Seiten ihres Debüts explosionsartig gestaltete. Zu Beginn des Buches ist das Actionlevel astronomisch hoch; wir treffen Dean im Schulbus und erleben das Einsetzen des beinahe biblischen Hagelsturms. Die Ereignisse überschlagen sich, der Schulbus verunglückt, alle schreien wild durcheinander. Es zeigt sich, wer einen kühlen Kopf behalten kann und wer nicht. Dean gehört leider zu der Fraktion Menschen, die angesichts einer Katastrophe in Schockstarre verfallen. Er ist kein Held, er ist jemand, der gerettet werden muss, was ich erfrischend fand. Als Ich-Erzähler berichtet er ohne Scham von seiner Unfähigkeit, irgendetwas zu unternehmen und seiner Erleichterung, als ihm geholfen und er in den Megastore gebracht wird. Sobald er in Sicherheit ist, fällt die Spannungskurve stark ab und bleibt – von kleineren Spitzen einmal abgesehen – konstant niedrig. Selbst im Kontext der Apokalypse ist der Alltag von 14 Kids, die kochen, essen, waschen, Ordnung schaffen, nicht sehr mitreißend. Trotz dessen hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, am Ball zu bleiben, weil die Entwicklung der Figuren bemerkenswert gelungen ist. Sicher weist die Konstellation einen gewissen Klischeefaktor auf, doch was Emmy Laybourne daraus macht, ist glaubwürdig und nachvollziehbar. Letztendlich stößt sie durch ihr Setting jedoch an eine Grenze, weshalb sie ihre eigenen Beschränkungen kurz vor Schluss dramatisch aufbricht und die Geschichte in einem akzeptablen Cliffhanger enden lässt, der die Leser_innen auf den nächsten Band „Sky on Fire“ vorbereiten soll.
„Monument 14“ war das letzte Buch, das ich 2017 gelesen habe. Ich habe es innerhalb einer Nacht verschlungen, weil es die perfekte Jahresabschlusslektüre war, die sich leicht und locker weg las, ohne überhaupt irgendetwas von mir zu erwarten. Ich fühle mich nicht einmal genötigt, den nächsten Band zu lesen, was ich aber natürlich trotzdem tun werde, weil ich wissen möchte, wie es weitergeht. Manchmal ist ein Buch, das nichts verlangt, nichts erwartet und einfach nur seichte Unterhaltung bietet, eben genau das Richtige. Deshalb könnt ihr meiner Meinung nach mit „Monument 14“ nicht viel falsch machen, wenn ihr YA-Dystopien mögt. Übrigens finde ich die Idee, die Apokalypse in einem Megastore auszusitzen, genial. Ich behalte das im Hinterkopf. Man weiß schließlich nie, ob die Welt nicht doch irgendwann zugrunde geht und ein gutes Versteck dann überlebenswichtig ist.