Unterkühlt, langatmig und umständlich
„Extinction“ von Kazuaki Takano ist mir zuerst auf Kathis Blog Lalapeja begegnet. Sie vergab für diesen Thriller damals satte 5 Sterne, bezeichnete ihn als spannend und mitreißend. Der Klappentext klang auch für mich interessant, weswegen das Buch auf meine Wunschliste wanderte. Ein paar Monate später entdeckte ich es auf dem Bloggerportal von Random House. Natürlich schickte ich sofort eine Anfrage ab, die glücklicherweise auch bewilligt wurde. So landete „Extinction“ bei mir, mein erster Versuch mit einem japanischen Autor. Takano wurde in Tokio geboren und arbeitete sowohl in Japan als auch in Hollywood als Drehbuchautor. „Extinction“ ist sein erster international erfolgreicher Roman und schaffte es in Deutschland sogar auf die Bestsellerliste des Spiegels.
Im Herzen des Kongo, in einer der gefährlichsten Gegenden der Erde, wächst ein Kind heran, das kein Mensch ist. Es ist mehr als ein Mensch. Abgeschottet von der Welt lebt es unentdeckt bei einem Pygmäenstamm, bis die amerikanische Regierung von seiner Existenz erfährt und die überragende Intelligenz des Kindes als Bedrohung einstuft. Der Präsident der USA genehmigt einen Einsatz, dessen Ziel die Liquidierung des gesamten Stammes ist. Ein Mitglied des Teams ist der Söldner Jonathan Yeager. Sein Beruf macht ihn nicht glücklich, aber er braucht das Geld, um seinen todkranken Sohn behandeln zu lassen. Als er herausfindet, worin sein neuster Auftrag besteht, gerät er in eine moralische Zwickmühle: kann er es verantworten, einen ganzen Stamm zu töten, um das Leben seines Sohnes zu erhalten?
Zur gleichen Zeit forscht in Japan der Student Kento Koga nach einem Heilmittel für die Krankheit, an der Yeagers Sohn leidet. Das Projekt war der letzte Wunsch seines verstorbenen Vaters. Kento weiß nichts von Yeager; Yeager weiß nichts von Kento. Zufall? Oder ist es der ausgeklügelte Plan einer überlegenen Lebensform, der sie verbindet?
„Extinction“ ist wahnsinnig detailliert recherchiert. Es thematisiert einen unerschrockenen, ungeschönten Blick auf das aggressive, destruktive Wesen der Menschheit und der derzeitigen Weltpolitik. Es ließ mich schlucken und an der einen oder anderen Stelle einen dicken Kloß in meinem Hals spüren. Ich leugne nicht, dass das Buch eine gewisse Wirkung auf mich hatte. Leider war das nicht genug. Ich kann mit Kazuaki Takano als Autor nur sehr wenig anfangen, denn meiner Meinung nach hat er versucht, einen sachlichen Thriller zu schreiben, was einfach nicht funktioniert. Entweder Sachbuch oder Thriller – beides geht nicht. Das Ergebnis dieses seltsamen Versuches ist ein unterkühltes, langatmiges und umständliches Buch, das mich zu keiner Zeit mitriss. Es war nicht spannend. Takano erging sich in komplizierten wissenschaftlichen Erklärungen und warf mit lateinisch klingenden Fachbegriffen um sich, die meiner Chemielehrerin Tränen der Freude in die Augen getrieben hätten. Da ich aus diesen Erklärungen überhaupt keinen Erkenntnisgewinn zog, fiel es mir schwer, meine Konzentration wie auch mein Interesse aufrecht zu erhalten. Ohne die politische Seite des Romans hätte ich wohl ernsthaft mit Gedanken gespielt, die Lektüre abzubrechen. Unglücklicherweise empfand ich aber auch diese als nicht völlig überzeugend. Ich weiß nicht, ob Kazuaki Takano einen persönlichen Groll gegen die USA hegt; die Vermutung liegt nahe, beschreibt er die Vereinigten Staaten doch als die Wurzel allen Übels. Er geht sehr hart mit der amerikanischen Regierung ins Gericht. Seine Kritik ist natürlich nicht ganz ungerechtfertigt, ich fand sie allerdings viel zu einseitig. Die USA sind nicht das einzige Land, das Verbrechen begeht und im Namen der Sicherheit fragwürdige Entscheidungen trifft. Ich mag es nicht, wenn einem einzelnen Akteur der schwarze Peter zugeschoben wird, obwohl dieses Ballett namens Weltpolitik viele Mitspieler kennt, die sich in Sachen Grausamkeit nichts nehmen.
Die Idee einer neuen, überlegenen Lebensform war ein interessanter Ansatz, die Umsetzung erschien mir jedoch problematisch. Es ist paradox: Takano schreibt, dass Akilis (so der Name des Jungen) Denkmuster für Menschen nicht fassbar sind, gibt sich jedoch trotzdem große Mühe, sie zu veranschaulichen. Ein Mensch, der über die für Menschen nicht nachvollziehbaren Gedankengänge eines nicht völlig menschlichen Wesens schreibt. Ihr versteht, was ich meine? Für mich ist das ein Logikfehler. Darüber hinaus konnte ich mir Akili beim besten Willen nicht vorstellen. Das lag nicht an mangelnder Vorstellungskraft (schließlich lese ich regelmäßig Fantasy), sondern an der grottenschlechten Beschreibung seines Äußeren. Mit den anderen Charakteren der Geschichte hatte ich ebenfalls Schwierigkeiten, speziell mit Kento. Kento ist zwar sympathisch, hat aber eine seltsame Persönlichkeit und ist ein fürchterlich naiver Fachidiot. Hin und wieder hatte ich wirklich das Gefühl, dass er den Großteil seines Lebens hinterm Mond verbracht hat.
Ich weiß nicht genau, was ich von Kazuaki Takanos Fähigkeiten als Autor halten soll. Ich versuche, zu verstehen, was ihn dazu bewogen hat, so viel wissenschaftlichen Input in sein Buch zu quetschen. Hat ihm denn niemand gesagt, dass ein Thriller vor allem spannend sein muss und keinen Abschluss in Biochemie voraussetzen sollte? Ich begreife wirklich nicht, wie es „Extinction“ in dieser Form durch das Lektorat schaffen konnte. Meiner Meinung nach haben die Kontrollmechanismen des Verlages allerdings sowieso versagt, da mir diverse Rechtschreibfehler aufgefallen sind und Takano einige Kleinigkeiten nicht konsequent umgesetzt hat. Beides hätte auffallen müssen.
Insgesamt fand ich „Extinction“ nicht sehr stimulierend. Weder die wissenschaftliche noch die politische Ebene des Buches haben mich nachhaltig zum Nachdenken angeregt. Ich denke nicht, dass ihr diesen Thriller bei all der Auswahl auf dem Markt lesen müsst – obwohl der Spiegel das anscheinend anders sah.
Vielen Dank an das Bloggerportal von Random House für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!