Solide, aber leidenschaftslos

— feeling beaten
Götter der Rache: Roman - Giles Kristian, Wolfgang Thon

„Götter der Rache“ von Giles Kristian habe ich beim Bloggerportal von Random House angefragt, weil die Lektüre ein neuer, weiterer Versuch mit einem historischen Roman sein sollte. Bisher habe ich weder den richtigen Zeitabschnitt noch die richtige Region für mich gefunden, obwohl dieses Genre unheimlich vielfältig ist. Da ich die Kultur der Wikinger faszinierend finde und darüber hinaus ein riesiger Fan der Serie „Vikings“ bin, beschloss ich, es darauf ankommen zu lassen und es mit „Götter der Rache“ zu versuchen. Ich hoffte, mir mit diesem Buch die Wartezeit bis zur Veröffentlichung der vierten Staffel in Deutsch verkürzen zu können und freute mich auf Männer und Frauen, die Stahl in den Venen haben.

 

Sigurd, jüngster Sohn von Jarl Harald, wünscht sich nichts sehnlicher, als sich endlich im Kampf beweisen zu können. Er ist zornig auf seinen Vater, weil dieser ihm diese Ehre verwehrt. Sigurd muss sich damit begnügen, die ruhmversprechende Seeschlacht an der Seite von König Gorm gegen den ambitionierten Jarl Randver aus der Ferne zu beobachten. Er konnte nicht ahnen, dass die Entscheidung seines Vaters sein Leben retten würde. Die Schlacht ist eine Falle. Hilflos muss Sigurd zusehen, wie der gierige König seinen Vater verrät und die tapferen Krieger gnadenlos von Jarl Randvers Männern abgeschlachtet werden. Auf einen Schlag verliert Sigurd alles, was in seinem Leben von Bedeutung ist. Nun kennt er nur noch einen Gedanken: Rache. Lediglich eine Handvoll treue Kämpfer begleiten ihn bei seinem Vorhaben, doch ihr Hass brennt heißer als die Sonne. König Gorm und Jarl Randver werden den Tag verfluchen, an dem sie sich gegen Jarl Harald wandten, denn Sigurd und seine Männer werden Blut in Strömen vergießen…

 

Wisst ihr, was mir beim Lesen von „Götter der Rache“ gefehlt hat? Leidenschaft. Objektiv betrachtet hat dieser Roman von Giles Kristian alles, was ein spannendes Buch ausmacht: einen Rachefeldzug, viele Kämpfe, sympathische Charaktere und eine stabile Atmosphäre. Und doch hatte ich nicht den Eindruck, dass der Autor wirklich Spaß beim Schreiben hatte. Es fühlte sich nicht so an, als würde ihn die Welt seiner fiktiven Figuren tatsächlich begeistern. Dadurch gestaltete sich die Lektüre zugegebenermaßen etwas schwierig für mich. Ich hatte Probleme, mich mit Kristians distanziertem Schreibstil anzufreunden, weil dieser stark mit der Handlung kontrastiert, die sehr blutig, sehr brutal und sehr explizit ist. Eine Jugendwarnung auf dem Cover wäre durchaus berechtigt. Ich bin wahrlich nicht empfindlich und kann gewalttätigen Szenen eine Menge abgewinnen, aber selbst mir war es fast zu viel. Nicht, weil ich mich geekelt hätte, sondern weil ich der Meinung bin, dass die Geschichte rund um Sigurd und seine tapferen Mannen hinter all den Kämpfen etwas dünn geraten und dadurch nur mäßig packend ist.
Darüber hinaus konnte ich mich nicht gut in Sigurd hineinversetzen. Kristian ließ mich nicht an der Planung seiner Rache an König Gorm und Jarl Randver teilhaben, weswegen ich seine Entscheidungen nur selten nachvollziehen konnte. Ich fühlte mich vor vollendete Tatsachen gestellt und ausgeschlossen. Ich hatte keine Chance, Sigurd wirklich nahe zu kommen und muss gestehen, dass ich ihn von allen auftretenden Charakteren am unsympathischsten fand. Seine Truppe hingegen hat einige interessante Persönlichkeiten zu bieten. Die meisten der Krieger sind recht einfach gestrickt, erschienen mir mit ihrer derben Rauheit und ihrem Hang, genau das auszusprechen, was sie denken, allerdings äußerst bodenständig und auf brachiale Weise liebenswert. Sie sind genau so, wie man sich Wikinger vorstellt: unanständig, laut und niemals um einen Kampf verlegen. Das Problem mit dieser Charakterisierung, so sympathisch sie auf den ersten Blick sein mag, ist die Klischeehaftigkeit. Ich konnte nicht anders, als mich während des Lesens zu fragen, ob Wikinger zu ihrer Zeit wohl tatsächlich so waren. Eigentlich ist es paradox, dass mich diese Gedanken umtrieben, denn schließlich wollte ich ein typisches Wikinger-Abenteuer erleben. Ich denke, hätte mich die Geschichte an sich mehr überzeugt, hätte mich ein wenig Schubladendenken nicht gestört, aber da mich Sigurds Rachefeldzug nicht voll und ganz mitriss, hatte mein Kopf die Zeit, an dem Roman herumzukritteln. Vielleicht waren meine Erwartungen auch zu hoch, das will ich nicht ausschließen. Durch „Vikings“ bin ich hinsichtlich der Wikinger-Thematik absolut verwöhnt – ich habe freilich gehofft, dass „Götter der Rache“ ähnlich dramatisch, subtil und perfide ist. Ich liebe Verrat, Intrigen und Geheimnisse einfach. Giles Kristian hat einen direkteren Handlungsverlauf gewählt. Diese Wahl akzeptiere ich und möchte sie ihm unter keinen Umständen ankreiden.

 

„Götter der Rache“ war ein Ausflug in eine Welt, die mich seit jeher fasziniert und in ein Genre, mit dem ich bisher nicht richtig warm werden konnte. Leider fand ich dieses Buch von Giles Kristian nicht so grandios, dass ich nun meine unsterbliche Liebe zu den historischen Romanen entdeckt hätte. Es ist solide, doch der große Knall blieb aus. Ich wünschte wirklich, ich hätte mehr Hingabe seitens des Autors spüren können.
Es fällt mir schwer, die Qualität von „Götter der Rache“ einzuordnen, weil ich so gut wie keine Erfahrung mit dem Genre habe. Vielleicht ist Giles Kristian DIE Autorität in Sachen Wikinger-Romane? Ich weiß es nicht. Ich denke, wenn ihr euch für die Kultur der Wikinger begeistern könnt, ist „Götter der Rache“ eine naheliegende Wahl. Bei einem schwachen Magen würde ich euch allerdings davon abraten. Spritzendes Blut, gebrochene Knochen und abgetrennte Gliedmaßen sind eben nicht für jede_n etwas. ;)

Vielen Dank an das Bloggerportal von Random House für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

Quelle: http://wortmagieblog.wordpress.com/2015/12/04/giles-kristian-goetter-der-rache