Ley-Linien: Pfade zwischen den Dimensionen

Die Zeitwanderer (Die schimmernden Reiche, #1) - Stephen R. Lawhead, Arno Hoven

Stephen R. Lawheads Reihe „Die Schimmernden Reiche“, von der „Die Zeitwanderer“ der erste Band ist, basiert auf der Annahme der Existenz von Ley-Linien. Ley-Linien sind eine Theorie, die 1922 von dem britischen Landschaftsfotografen Alfred Watkins aufgestellt wurde. Während seiner Reisen zu Pferde fiel ihm auf, dass bestimmte landschaftliche Markierungspunkte wie Kirchen, Steinkreise (Stonehenge), Hügelgräber und viele andere scheinbar durch schnurgerade Linien miteinander verbunden sind, meilenweit quer durch die britische Landschaft. Er widmete sein Leben der Suche nach einer Erklärung, erhielt jedoch niemals eine Antwort. Niemand weiß, was hinter den Ley-Linien steckt. Sie sind ein Mysterium – und ein spannender Ausgangspunkt für eine Urban Fantasy – Reihe.

 

Kits Leben war nicht gerade das, was man aufregend nennen würde. Eher durchschnittlich. Mittelmäßig. Unspektakulär. Das ändert sich schlagartig, als er eine Londoner Gasse betritt und seinem Urgroßvater gegenüber steht. Dass der alte Mann längst tot sein sollte, scheint ihn nicht zu kümmern. Stattdessen überredet er Kit zu einem kleinen Ausflug. Ein Ausflug durch die Ley-Linien. Kit traut seinen Augen kaum, denn plötzlich ist er nicht mehr in London, sondern in einem malerischen kleinen Fischerdorf. Über einem Ale erklärt ihm sein Urgroßvater, dass Ley-Linien Pfade zwischen den Dimensionen sind, mit deren Hilfe Menschen durch Raum und Zeit reisen können. Kit tut diese Erklärung als Unsinn ab und wieder zu Hause schafft er es fast, sich davon zu überzeugen, dass sein Erlebnis ein Hirngespinst war. Doch dann geht seine Freundin Wilhelmina auf den Pfaden verloren und Kit bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach ihr zu machen – der Beginn des Abenteuers seines Lebens.

 

„Die Zeitwanderer“ ist ein seltsames Buch. Ich weiß nicht richtig, was ich davon halten soll, denn Positives und Negatives halten sich genau die Waage. Die Grundidee des Romans, die Ley-Linien als Pfade zwischen den Dimensionen, ist fantastisch. Ich liebe solche Gedankenspiele, die die Realität etwas weniger grau wirken lassen. Wie schön wäre es, einfach in eine Gasse hineinzugehen und in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort wieder herauszukommen? So wundervoll dieser Gedanke ist, die Geschichte, die Stephen R. Lawhead daraus gesponnen hat, konnte mich nicht vollständig überzeugen, denn meiner Meinung nach trägt sie sich nicht selbst. Es war überdeutlich zu spüren, dass „Die Zeitwanderer“ nur der Auftakt einer Reihe ist. Die Ley-Linien sind eine hübsche Idee, wirklich verstanden, wie sie funktionieren, habe ich allerdings nicht. Anscheinend sind sie ein komplexes System, das Stephen R. Lawhead im ersten Band nur oberflächlich beschreibt. Daher habe ich auch die Ausgangssituation nicht völlig begriffen: wie genau konnte Wilhelmina an einem völlig anderen Ort, zu einer anderen Zeit herauskommen als Kit? Obwohl ich meine Verwirrung nie überwunden habe, fand ich Wilhelminas Erzählstrang jedoch extrem spannend. Es ist eine Erfolgsstory. Sie landet allein in einem anderen Land, in einer anderen Zeit und macht tatsächlich das Beste daraus. Sie passt sich hervorragend an und stellt fest, dass ihr dieses Leben viel besser liegt als ihr Leben im London des 21. Jahrhunderts. Anfangs empfand ich sie als furchtbar zickig und launisch, doch nach der Reise durch die Ley-Linie blüht sie richtig auf und wird zu einer sympathischen, starken Figur. Meiner Meinung nach hat sie dem Protagonisten Kit da einiges voraus, denn mit ihm kann ich auch nach über 400 Seiten nur wenig anfangen. Als ich ihn kennenlernte, war er ein zielloser, blasser Mann von 27 Jahren. Jetzt… ist er das immer noch. Ihm passieren all diese großartigen Dinge, aber er verändert sich nicht. Von Anfang an störte es mich, dass er recht passiv ist und wenig Fragen stellt. Das ganze Buch über bleibt er irgendwie resigniert; er ergreift nie die Initiative und lässt sich lieber treiben. Das gefiel mir überhaupt nicht, weil ich ja eigentlich durch ihn und an seiner Seite die Bedeutung und Funktionsweise der Ley-Linien begreifen sollte. Wie soll ich verstehen lernen, wenn der Hauptcharakter mir den Zugang durch sein Desinteresse verweigert?
Das Gefühl, eher holprig durch die Geschichte zu kommen, wurde für mich auch dadurch ausgelöst, dass es neben Kit und Wilhelmina noch eine Vielzahl weiterer Personen gibt, die teilweise eigene Handlungslinien verfolgen. Ich hatte sowieso schon Schwierigkeiten, gedanklich hinterher zu kommen, weil die Ley-Linien so kompliziert sind; durch die Perspektivwechsel wurde das noch schlimmer. Verschiedene Charaktere in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten in Einklang zu bringen, ist nie leicht, aber da ich bis heute nicht erkennen kann, welche übergeordnete Geschichte sie denn nun verbindet, herrscht in meinem Kopf Ratlosigkeit.

 

„Die Zeitwanderer“ ist wieder mal ein Beispiel dafür, dass eine tolle Idee nicht genug ist, um ein großartiges Buch zu schreiben. Ich fand diesen Urban Fantasy – Roman nicht schlecht, aber definitiv verbesserungswürdig. Die Geschichte war seltsam konfus und auch ein wenig unstrukturiert. So faszinierend das Eintauchen in andere Zeiten und längst vergessene Kulturen war, es reichte nicht aus, um mich anhaltend zu begeistern. Ich verlor schnell das Interesse, was garantiert auch an Stephen R. Lawheads langatmigem, langsamem Schreibstil liegt. Ich denke nicht, dass er sich zu einem meiner Lieblingsautoren mausert. Trotz dessen werde ich mindestens die folgenden zwei Bände der Reihe lesen, einfach, weil ich sie bereits im Regal stehen habe. Ich hatte großes Vertrauen in die Idee. Ob es alle fünf werden, kann ich jetzt allerdings noch nicht einschätzen, ebenso wenig, wie ich eine Empfehlung aussprechen kann. Geduldet euch bis zum nächsten Band „Das Knochenhaus“, vielleicht kann ich dann bereits mehr dazu sagen.

Quelle: http://wortmagieblog.wordpress.com/2015/05/02/stephen-r-lawhead-die-zeitwanderer