Mehr als ein Roman, mehr als eine Geschichte

Monsters of Men - Patrick Ness

Durch den Massenmord an den versklavten Spackle hat Mayor Prentiss den Zorn des gesamten Volkes über die Menschen gebracht. Jetzt hat er das, was er die ganze Zeit wollte: Krieg. Die Bewohner Havens sehen sich mit einer Übermacht konfrontiert, denn The Land ist zahlreicher, als sie je angenommen haben. Todd muss einsehen, dass sie die militärische Erfahrung des Mayors brauchen, wenn sie nicht ausgelöscht werden wollen. Er muss ihn freilassen. Im ersten Gefecht fließt jedoch trotz dessen literweise Blut. Spackle und Menschen sterben; Todd sieht Gräuel, die ihn nachhaltig verändern. Beinahe werden die menschlichen Soldaten überrannt, denn The Land hat die Jahre des Waffenstillstands nicht ungenutzt gelassen. Im letzten Moment rettet Viola Todd aus der Ferne das Leben, indem sie die Waffen des Kundschafterschiffes einsetzt. Simone und Bradley, die Besatzung des Schiffes, sind davon allerdings nicht begeistert. Vor allem Bradley ist überzeugt, dass die Menschen versuchen müssen, Frieden mit der indigenen Spezies zu schließen, für all die Siedler, die bald in New World ankommen werden. Frieden wollen auch Todd und Viola. Doch sie wissen, dass das sehr schwierig wird, kochen doch Mayor Prentiss und Mistress Coyle noch immer ihr eigenes Süppchen. Wie sollen sie The Land von den Vorteilen eines Bündnisses überzeugen, solange nicht einmal unter den Menschen Einigkeit herrscht?
Eine sichere Welt zu schaffen wird die schwerste Aufgabe in Todds und Violas Leben.

 

Ich hätte nicht gedacht, dass die Chaos Walking – Trilogie NOCH besser werden kann, aber Patrick Ness hat es tatsächlich geschafft, im Finale noch eine Schippe drauf zu legen. Ich bin absolut verliebt in „Monsters of Men“, so sehr, dass ich mich nach dem Auslesen dabei erwischte, wie ich das Buch ganz fest an mich drückte, als wäre es ein Kuscheltier. Für mich ist es mehr als nur ein Roman, mehr als nur eine Geschichte. Es ist so echt, so tief, lebendig und gefühlsgeladen.
Thematisch behandelt Patrick Ness mehrere Ansätze, die er alle brillant ausgearbeitet hat. Vordergründig geht es um Entwicklung. Seine Handlung verlangt den Charakteren nicht weniger ab, als über sich selbst hinauszuwachsen. Sie müssen den Teufelskreis aus Hass und Rachegelüsten überwinden und begreifen, wie schlechte Gefühle einfach alles vergiften – was nicht nur für die menschlichen Figuren gilt. In „Monsters of Men“ integriert Ness nämlich eine neue Perspektive: die des Spackle 1017, der einzige Überlebende des Massakers, zu dem Todd eine spezielle Beziehung hat. Ich liebte seinen Blickwinkel, weil er der Geschichte eine ganz neue Facette hinzufügt. Sein Schmerz, sein Hass, seine Trauer haben mich völlig aus Balance gebracht, wie ich es HIER bereits beschrieben habe. Er eröffnete mir eine Verständnisebene, die ich andernfalls nicht erreicht hätte; besonders in Bezug auf Todds Handeln. Auch fand ich es faszinierend, wie ähnlich sich 1017 und Todd sind, obwohl sie aus sehr unterschiedlichen Kulturen stammen. Beide werden durch das, was den Personen, die sie lieben, angetan wird, an die Kante getrieben und sind mehr als einmal kurz davor, sich fallen zu lassen. Beide treten jedoch im ausschlaggebenden Moment einen Schritt zurück und entscheiden sich dazu, das Richtige zu tun und ihre eigenen Gefühle hinten anzustellen.
In diesem Punkt unterscheiden sich sowohl 1017 als auch Todd maßgeblich von Mayor Prentiss. Im letzten Band ebenso wie jetzt im Finale kam mir immer wieder der Gedanke, dass Todd und Prentiss durchaus die eine oder andere Gemeinsamkeit aufweisen. Doch schlussendlich ist es gar nicht so wichtig, was sie gemeinsam haben, viel wichtiger ist, was sie verschieden macht. Prentiss ist ein durchgeknallter Kontrollfreak, der weder Vertrauen noch Liebe in sein Herz lassen kann. Dieses erhebliche Defizit lässt ihn unter der Last New Worlds zusammenbrechen, weil er so nicht in der Lage ist, sich dem Noise hinzugeben, sondern ihn beherrschen will. Er erkennt nicht, wie wunderschön die Verbindung ist, die The Land mit ganz New World eingegangen sind. Dieses unglaubliche Netzwerk ist in seiner Reinheit und Klarheit einfach fantastisch. Anfangs dachte ich, dass das Fehlen jeglicher Privatsphäre das Schlimmste ist, das ich mir vorstellen kann. Aber mittlerweile frage ich mich, ob eine Welt, in der jeder Gedanke offen liegt, tatsächlich so schlecht und beängstigend wäre. Im Noise von The Land gibt es kein Verstellen, keine Lügen und keinen Egoismus. Sie sind wahrhaft EINS. Sie fühlen einander, spüren jede Freude und jeden Schmerz, auch kilometerweit entfernt. Unserer Welt täte das vielleicht gut. Wären wir alle miteinander verbunden, gäbe es dann noch Kriege? Könnten wir uns dann noch gegenseitig umbringen und leiden lassen? Ich denke, so eine Verbindung könnte uns alle zu den besten Versionen unserer selbst werden lassen. Stellt es euch vor: eine Welt ohne Lügen, ohne (versteckte) eigennützige Gedanken und Motive, ohne Heuchelei. Wunderschön, nicht wahr?

 

Ich habe während des Lesens von „Monsters of Men“ viele Tränen vergossen. Ich durfte eine extreme Nähe erleben und trotzdem war es mir nicht genug. Ich wollte in das Buch hineinkriechen, physisch vor Ort sein, die Figuren umarmen und ihnen sagen, dass alles gut werden wird. Vor allem Todd und Viola werden für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Sie sind für mich eines der außergewöhnlichsten Paare der Literatur; ihre Beziehung ist beispiellos. Der Gedanke an sie wird mich für immer daran erinnern, dass es bloß zwei Menschen, Liebe und Vertrauen braucht, um die Welt zu verbessern. Und ihre Geschichte wird mich davor warnen, dass es leider auch nur einen hasserfüllten Menschen braucht, um sie zu verschlechtern.
New World zu verlassen fällt mir unsagbar schwer. Trotz des hoffnungsvollen Endes schmerzt es mich einfach so sehr, Todd, Viola und all ihre Freunde gehen zu lassen.
Die Chaos Walking – Trilogie ist in meinen Augen viel zu unbekannt. Lest sie und verbreitet es, wo immer ihr könnt: Patrick Ness ist ein großartiger, fabelhafter, denkwürdiger Autor.

Quelle: http://wortmagieblog.wordpress.com/2014/12/13/patrick-ness-monsters-of-men